Haggard im Backstage München (Show 1) am 30.9.2020

Es ist Mittwochabend und zum Bergfest, sind wir vom Dark-Art Team doch immer für einen kleinen Schwank zu haben. Doch diesmal war der kleine Schwank dann doch ehr eine große Offenbarung. Kein Wunder, immerhin machten wir uns auf den Weg, um im Münchner Backstage (Arena Süd) keine geringere Band als „Haggard“ zu bestaunen. Nun, man muss sicherlich niemandem mehr erklären, dass dies immer ein sehr exklusives und besonderes Highlight im Konzertkalender darstellt. Und so machten wir uns voller Vorfreude und hoher Erwartungen auf die Reise. In München angekommen, stellten sich erst einmal die üblichen Fragen, bevor die Show startete. Wo ist ein Geldautomat, wo bekomme ich ein traditionelles, heimisches Getränk und wie wird der Abend heute verlaufen? Als sich kurz nach 19 Uhr die Pforten öffneten, waren die beiden ersten Fragen glücklicherweise schon abgearbeitet und wir durften die Location betreten, um uns einen Tisch zu suchen. Das Glück war mit uns und wir konnten direkt in der ersten Reihe Mitte unser Lager mit all unserem Kameraequipment aufschlagen. Mit Biertischgarnituren für je 5 Personen und genügend Sicherheitsabstand, wurde trotzdem Platz für 400 Besucher geboten, da es sich um eine überdachte Open Air Location handelte. Und kaum hatten wir uns gesetzt, ergab sich der nächste Glücksmoment und wir konnten noch vor Showbeginn ein kleines Schwätzchen mit Mastermind „Asis“ halten. So kann es losgehen dachten wir uns, bevor die Bühne vorerst im dunklen versank.

Dezentes Licht ging auf der Bühne an und die Band platzierte sich um das Spektakel zu beginnen. Und es begann! Der Titeltrack des letzten Albums, der musikalisch großartig aufbauend eingeleitet wird, steigerte sich langsam immer höher, so dass man erahnen konnte was, einen heute noch alles so erwarten wird und einem musikalisch geboten werden wird. „Chapter I: Tales of Ithiria“ meine Damen und Herren, offenbarte, direkt zu Beginn, den Einsatz und das Können aller auf der Bühne versammelter Musiker in Perfektion und Harmonie.

Das Publikum hatte sich nach diesen knapp 8 Minuten bereits bestens mit der Musik akklimatisiert und um die Stimmung im Raum, überdacht, dennoch im Freien, weiter anzuheizen, folge nun ein Song aus der Ära, in der Haggard seinen großen Durchbruch hatte und den JEDER kennt. „In A Fullmoon Procession“ spielte vertraut und genial in die Herzen der Zuhörer und hätte nicht passender gewählt seien können in dieser noch etwas lauen Herbstnacht.

Und in diesem Tonus ging es nach einer kürzeren oder längeren Willkommensrede weiter. (An diesem Abend schien jemand auf sehr sympathische Art und Weise sehr redseelig zu sein, wie wir auch später noch feststellen durften *Zwinkersmiley*) „Awaking The Centuries“ stellt nicht umsonst eines der größten Metalalben dar, welches je geschrieben wurde und zu welcher Zeit es geschrieben wurde. „Heavenly Damnation“ knallte in brachialem Soundgewand von der Bühne und man war wie in Trance zwischen Träumen und Headbangen in einem Fluss der Symphonie gefangen.

Doch wann ist bei Haggard der Höhepunkt erreicht? Ich würde sagen, wahrscheinlich nie, da ein Feuerwerk nach dem anderen im Ohr landet. Und so begannen die Streicher mit einer stark vorwärts treibenden Melodie, die sehr ernsthaft und dramatisch wirkt, das wohlbekannte „The Final Victory“ einzuleiten. Nach einer Weile ertönt dann auch noch die großartige „Erählerstimme“ von „Asis“ und jagt einem einen Schauer über den Rücken. Mir wurde direkt wieder bewusst, dass dieser Mann nicht nur weiterhin seine geniale Musik schreiben sollte, sondern vielleicht auch einen Nebenjob als Synchronsprecher in Hollywood beginnen sollte. Gänsehaut pur! Und das noch bevor alle Musiker mit eingestiegen sind, um diese „Hymne“ gemeinsam mit dem Publikum (welches tatkräftig unterstütze) zu singen und zelebrieren.

Spätestens JETZT wurden keine Kompromisse mehr gemacht und das gesamte „Backstage“ lebte „Haggard“.

Um die Vielfalt und das Können der Band noch besser zu repräsentieren wurde nun „Of a Might Divine“ vom 2004 erschienen „Eppur si muove“ Album angestimmt, bei dem man bereits im Intro bestens heraushört, warum die Band nicht nur im symphonischen Metal Zuhause ist, sondern auch eine große Anhängerschaft in der Medival/Mittelalterszene hat, obwohl es auch in diesem Stück heftiger zur Sache geht und man den Ursprung aus dem Death Metal nicht verleugnen kann. Wobei Haggard ja im Prinzip keine Leider, sondern kleine Episoden schreibt, bei denen ein auf und ab so wie eine sich durchziehende Struktur zu einem abwechslungsreichen Gesamtbild führen.

„Eppur si muove“, ein fantastisches Album (ok, so wie jedes der Band) wurde jedoch nicht nur mit dem gerade angesprochenen Song gefeiert und so ging es direkt in den Titeltrack über. Damit wurde auch eine kleinere „Pause“ zum Besinnen und mentalen abkühlen geschaffen, da dieses Stück etwas ruhiger zur Sache geht. Durchatmen, die Augen schließen und von der „Welle“ tragen lassen, während man in der Epik die dieser Song präsentiert aufgeht.

Nach tobenden Applaus ging es nun zurück, zu all den Fans, welche sich Medival/Mittelalter/Roleplay usw. zugehörig fühlen. Denn dieses bereits 1877 zum ersten Mal abgedruckte Werk aus schwedischen Landen kennt in all diesen Szenen wirklich jeder, da es schon unzählige Male von diversesten Künstlern interpretiert wurde. Egal ob In Extremo, Tibetréa, Midnattsol, Garmarna oder gar in Technoversionen wie von D-Frek & Dr. Peacock wurde „Herr Mannelig“ bereits in vielen Varianten auf die Bühne getragen um die traurige Geschichte der Trollfrau, welche sich auf der Suche nach Erlösung an Herrn Mannelig wendet um ihm einen Heiratsantrag zu machen, den er jedoch ablehnt zu besingen. 

„Per Aspera Ad Astra“ folgte und so kam ein weiteres Highlight unter Highlights. An dieser Stelle frage ich mich ernsthaft, ob je ein Lied von Haggard geschrieben wurde, zu dem man nur „Naja“ sagen könnte? Ich denke nicht, da bei dieser „Großband“ einfach Alles stimmt. Und auch einmal mehr alleine mit der Wahl der lateinischen Sprache im Titel zeigt eine weitere Vielfältigkeit. Denn Haggard schreibt seine Songs von Latein, Englisch, Deutsch bis zu Spanisch in vielen Sprachen, was sicher auch einen sehr exklusiven Charakter hat. Doch zurück zum Song. Fast schon eine Ballade mit Headbangcharakter, die sich ehr langsam aber von ganz tief aus dem Inneren entlädt und den Kopf einfach automatisch im Rhythmus mitwippen lässt… Widerstand ist zwecklos! Dies war auch im gesamten Publikum nicht zu übersehen, spätestens als das klassische Heavy Metal Gitarrensolo ertönte.

Passend zur aufkommenden Jahreszeit folgte nun „Upon Fallen Autumn Leaves“ das mit dem Wechsel zwischen Deutsch, Englisch und Latein den Wandel des Herbstes noch stärker zum Ausdruck bringt und auch musikalisch zwischen den leichten Winden, die gefärbte Blätter durch das Land trägt bis hin zu heftigen gegrowlten Orkanen die losbrechen auf vielen Ebenen den Wandel dieser Jahreszeit auf „dem Weg“ einfängt. Wie üblich bei diesem Lied stimmte Asis das Publikum vorher auf den Ruf Moonrise ein, mit dem das Publikum die Band während des Liedes tatkräftig unterstützte.

Nach diesen ruhigeren Passagen in der Setlist, hieß es dann aber auch wieder passend: „Back to heavy“ und die Prophezeiung wurde mit „Prophecy Fullfilled“ erfüllt. Und nichts hätte an dieser Stelle passender ins Programm gepasst, als tiefe Leadvocals mit harten Riffs, die gepaart werden mit der einzigartigen Atmosphäre für die „Awaking The Centuries“ steht.

Und nun war es so weit und es begann direkt innerlich zu kribbeln, als das Flötenintro des nächsten Songs zu spielen begann und sich nach und nach mit Chor und Gegrowle einte. Dazu noch Streicher und eine einzigartig bewegende Pianomelodie im Aufbau. Die Rede ist ganz klar von „In Pale Moons Shadow“, bei dem mir jedes Mal das Herz aufgeht, denn es war in meinem Leben, der erste Song von Haggard, den ich je gehört habe und der erste große „Hit“ der Band, der mich bereits damals so mitriss, dass ich direkt Fan wurde. Und ich finde diese Größe des Songs steht bis heute bei der Band ganz oben auf der Liste und überzeugt noch genauso wie 1997. Ein wahres und vor allem zeitloses Aushängeschild der Band, das seinen Ehrenplatz in der gesamten Symphonic und Opera Metalszene bis heute gerechtfertigt verteidigt. Bei diesem Song passierte ein kleines Maleur, und die Akustikgitarre fiel Asis genau in die Arme. Der auf die Bühne eilende Techniker wurde von Asis dem Publikum gegenüber in höchsten Tönen gelobt, und nach einigem Überlegen fand die Band dann auch die richtige Stelle im Lied, um den unterbrochenen Spannungsbogen wieder aufzubauen und vollendete den Song. Hier konnte man mal wieder sehen, dass  Haggard nicht nur absolute Profis, sondern auch sehr authentische Musiker sind, die ihre Musik nicht einfach nur herunterspielen.

Vor dem nächsten Song nahm sich Asis wie üblich die Zeit seine Bandmitglieder alle noch vorzustellen, die da wären: Mauri (Schlagzeug), Claudio (Gitarren), Giacomo (Bass), Hans Wolf (Piano), Comsin, Lisa (Violine), Anne (Viola), Jo (Violoncello), Catalina (Flöte), sowie Frank (Tenor) und Janika (Sopran).

Und nun kam der traurige Moment, in dem man wusste, das große Finale hat seinen Zenit erreicht, das Ende der Show wurde verkündet, bevor noch einmal zum „Eppur Si Muove“ Epos zurückgekehrt wurde. „The Observer“ wurde angestimmt und obwohl es ein wahnsinnig epischer und ausladender Song ist, weiß man als Fan jedoch auch, dass es sich um einen der „kürzeren“ Haggard Songs handelt und der Abend tatsächlich auf sein Ende zugeht. Dennoch wurde unter tosendem Applaus noch einmal die Konzentrierte Genialität von Haggard aufgefahren und Haupt und Haar in wildem Tanz geeint.

Doch halt, da war doch noch etwas? Bisher lies der Abend doch keine Wünsche offen, oder? Von allem überwältigt, hätte man fast nicht bemerkt, dass noch ein Stück fehlt, welches natürlich niemals fehlen darf! Und so kam es nach laut Schallenden „Zugabe“ Schreien, das gesamte Haggard Assembler noch einmal auf die Bühne zurück kehrte und eine Barocktanzmelodie auf den Geigen erklang. Und ja, da viel es jedem wieder ein, es muss zum Schluss immer noch ein neuer Höhepunkt folgen. „Awaking The Centuries“ hämmerte aus den Boxen und was will man dazu sagen? Nicht viel, da jedem direkt bewusst sein wird, was nun geschah und welcher Hochgenuss dargeboten wurde.

Und nun fand der Abend tatsächlich sein musikalisches Ende und man hatte kaum bemerkt wie die Zeit verflogen war. Denn bei dieser epischen Tragweite der Band, verliert man sich einfach völlig in der Musik. Ein kurzer Dank an dieser Stelle geht an „Frank“ am Mischpult, der wieder alles rausholte, was technisch nur umsetzbar ist und eine Akustik von der Bühne zauberte, die seines gleichen sucht. Ein toller Abend mit einem schwer zu beschreibenden Musik und Liveerlebnis, das niemanden traurig ins Bett gehen ließ. Und wir von Dark-Art hatten nach der Show auch noch die große Ehre, ein „kurzes“ (fettes Grinsen) Interview mit Asis zu führen, welches demnächst hier auf der Dark-Art Seite veröffentlicht wird. Und als Anmerkung noch für alle Fans der nördlicheren Hemisphäre Deutschlands, die denken, dass sie vielleicht etwas Exklusives verpasst haben. Als Haggard am darauf folgenden Wochenende in Leipzig 2 Konzerte spielte, wurde die Setliste etwas abgeändert um auch hier etwas Besonderes zu bieten. So rutschte z.B. „Seven From Afar“ dem bisher noch nicht veröffentlichen „Grimm’s Fairy Tales“ Album ins Programm, welches in der Metalszene sicherlich wie kaum ein zweites Album seit Jahren heiß erwartet wird.

Setlist:

Tales of Ithiria

In A Fullmoon Procession

Heavenly Damnation

The Final Victory

Of a Might Divine

Eppur Si Muove

Herr Mannelig

Per Aspera Ad Astra

Upon Fallen Autumn Leaves

Prophecy Fullfilled

In Pale Moons Shadow

The Observer

Awakening the Centuries

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